Diese Seite ist Teil des Projektes
Der folgende Text wurde vom Autoren der Webseite "flaggenlexikon.de", Volker Preuß, im Juni 2013 verfasst. Dieser Text wurde im Juli 2013 im Flaggenkurier der DGF veröffentlicht. |
Die Flagge von Sachsen-PolenWährend eines Aufenthalts in Krakau, zu Ostern 2013, habe ich unter anderem auch die Kathedrale im Wawel, der Stadtburg und Residenz, besucht. Eigentlich wollte ich das Grab von August dem Starken besuchen, der als ehemaliger König von Polen im Wawel sein Grab hat. In Dresden ruht lediglich sein Herz, seine Eingeweide in Warschau.
Grab Friedrich August I. von Sachsen in Krakau, Wawel, Kathedrale, ganz hinten das Grab von Friedrich August I. (dem Starken) Bei dieser Gelegenheit besuchte ich auch die Schatzkammer des Wawel, eine Sammlung kostbarer Waffen, von Schmuck- und Wertgegenständen. Gleich zu Beginn fiel mir in einem Winkel eine Glasvitrine auf, die unverkennbar eine handgemalte polnische Flagge zeigte. Ich sah Rot und Weiß (Rot über Weiß!) und einen Adler. Bei genauerem Hinsehen wurde ich stutzig, denn ich sah Insignien königlicher Macht, Schwert und Zepter, und der Adler trug eine Krone, ebenso ein Brustschild, und ich war um so überraschter, als ich das Brustschild als das sächsische Kurwappen identifizieren konnte. Es handelte sich also um die Flagge Polens, unter den sächsischen Kurfürsten als Könige von Polen! Ein Hauch von Geschichte wehte mich an, und es lohnt sich, sich einmal kurz mit dieser historischen Periode zu befassen: Friedrich August I. von Sachsen aus dem Haus Wettin (August der Starke, 1670-1733), wurde, nicht ohne eigenes, recht abenteuerliches Betreiben, im Jahre 1697 vom polnischen Adel als August II. zum König von Polen und Großfürsten von Litauen gewählt. Dieser Titel ging drei Jahre nach seinem Tod auf seinen Sohn Friedrich August II. (1696-1763) über, der bis zu seinem Tod als August III. König von Polen und Großherzog von Litauen regierte. Zwischen 1733 und 1735 war Stanisław Leszczynski polnischer König. Seit 1756 tobte der Siebenjährige Krieg, der für Sachsen katastrophal endete, die sächsischen Truppen kapitulierten noch im selben Jahr und der Kurfürst und König zog sich nach Warschau zurück. Sachsen wurde von Preußen verwaltet. Der Frieden von Hubertusburg (1763) besiegelte den Ruin des Landes, es hatte fast die gesamten Kriegskosten Preußens zu tragen. Im Oktober verstarb Friedrich August II., und die geschwächte sächsische Dynastie hatte auf die Besetzung des polnischen Throns keinen Einfluss mehr. Sein Sohn Friedrich Christian (1722-1763) regierte nur einige Monate als Kurfürst von Sachsen. Das Erbe trat Friedrich August I. an (1750-1827), der ab 1763 als Friedrich August III. Kurfürst von Sachsen, und ab 1806 erster König von Sachsen war. Zum polnischen König wurde, nicht zuletzt durch starke Einflussnahme der russischen Zarin, im Jahre 1764 Stanisław August Poniatowski gewählt, der in der polnischen Geschichte eine unrühmliche Rolle spielte, weil er die polnischen Teilungen zuließ (1772, 1793 und 1795) und das Land letztlich an Russland auslieferte. Am 3. Mai 1791 verabschiedete der Sejm eine Verfassung, die das durch innere Wirren geschwächte und von Besitzansprüchen der Nachbarn bedrohte Polen retten sollte. Darin erinnerte man sich des sächsisch-polnischen Königtums, und Poniatowski setzte durch, das nach seinem Ableben die sächsischen Kurfürsten im Rahmen einer Erbmonarchie den polnischen Staat regieren sollten. Jedoch lehnte Friedrich August diese Würde ab, weil er Probleme mit Österreich, Preußen und Russland kommen sah, die ein Auge auf Polen geworfen hatten, und in den kommenden Auseinandersetzungen hätte er dadurch den Bestand seiner eigenen Monarchie gefährdet, und auch in Frankreich zeichnete sich schon das kommende Unheil für Europa ab. Schon vier Jahre später hörte der polnische Staat auf zu bestehen. Napoléon setzte die Schaffung eines polnischen Staates durch, und Österreich, Preußen und Russland mussten Teile ihrer Beute von 1795 zugunsten des Herzogtums Warschau abtreten, das von 1807 bis 1815 von Friedrich August III., ab 1806 sächsischer König von Napoleons Gnaden, als Herzog von Warschau regiert wurde. Nach dem Wiener Kongress, der ab 1815 Europa nach der Ära Napoléon neu ordnete, wurde das Herzogtum Warschau aufgelöst (es fiel größtenteils an Russland), und das Königreich Sachsen erheblich verkleinert (Abtretungen an Preußen). Das Engagement der Wettiner als Könige von Polen war für Sachsen eine finanzielle Katastrophe. Allein die Bestechungsgelder für den polnischen Adel und die Kirche summierten sich letztlich auf 39 Millionen Reichstaler, was zur Erfindung der Mehrwertsteuer, und sogar zum Verkauf sächsischer Ländereien, Privilegien und Rechte führte. Das Geld kam nicht dem polnischen Staat zu gute, sondern den polnischen Magnaten. In Polen blickte man kritisch auf die sächsisch-polnische Zeit zurück, und es wurde und wird allerlei Unsinn kolportiert, etwa die Ausplünderung Polens durch die Wettiner (das Gegenteil ist der Fall) und die angebliche Schwächung der polnischen Armee, wobei übersehen wird dass es zu dieser Zeit keine stehenden Heere gab, für Aushebung, Ausrüstung und Führung war der Adel zuständig, der sich in Polen über mangelnde Zuwendung nicht beklagen konnte, und selbst das sächsische Aufgebot war nur sehr klein, und ging schließlich 1756 kläglich unter. In neuerer Zeit wird jedoch in Polen durchaus wahrgenommen, dass die Wettiner die ungeheuren Zentrifugalkräfte der mächtigen Magnaten durchaus bändigten, und so der Bestand des polnischen Staates gesichert wurde. Kommen wir zurück zur Flagge im Wawel: In der Schatzkammer herrscht strenges Photographierverbot, dass durch Wächter überwacht wird. In einem unbeobachteten Moment gelang es mir trotzdem ein hastiges Bild zu schießen, und ich beschloss das Foto später auszuwerten.
Die Original-Flagge von Sachsen-Polen Bei Betrachtung der Flagge fällt zuallererst auf, dass sie zwar zwei waagerechte Streifen zeigt, jedoch Rot über Weiß. Ganz so fremd ist dieses Flaggenbild zwar nicht, denn das beim Wiener Kongress geschaffene Großherzogtum Posen, dass als ehemaliges polnisches Kronland und ehemaliger Teil des Herzogtums Warschau an Preußen kam, zeigte auch zwei Streifen, Rot über Weiß. In Erinnerung heraldischer Regeln befremdet dieses Flaggenbild jedoch, ob nun für Posen oder auch für Sachsen-Polen. Das Wappen Polens zeigt einen silbernen Adler auf Rot, woraus sich für die Flagge eigentlich Weiß auf Rot, also Weiß über Rot ableiten lässt. Ältere polnische (polnisch-litauische) Flaggen zeigten jedoch drei waagerechte Streifen in Rot, Weiß und Rot, und das noch bis mindestens zum Jahr 1648, als die Herrschaft der Wasa-Dynastie in Polen endete. Somit ist die sächsisch-polnische Flagge die wahrscheinlich erste zweistreifige Flagge Polens, die heraldisch richtig, erst 1918 in ihrer heutigen Gestalt eingeführt wurde. Bei Betrachtung des Adlers fällt folgendes auf: Die Bewehrung des Adlers erscheint in Gold, jedoch ist die Zunge abweichend in Silber gehalten. Die Darstellung des Gefieders ist sehr detailreich, zeigt nicht nur die Federschäfte, sondern auch die Federstrahlen. Bei Betrachtung des Brustschilds fällt folgendes auf: Die heraldisch linke Seite des Kurwappens ist nicht, wie üblich, zehnfach zwischen Schwarz und Gold geteilt, sondern achtfach zwischen Silber und Schwarz, oben mit Silber beginnend(!). Die Kurschwerter auf der heraldisch rechten Seite erscheinen in Silber, und nicht in Rot, und auch der Rautenkranz wird auf der Flagge in Gold wiedergegeben, anstelle dem seit 1180 üblichen Grün. Wenn man obiges als missglückte fehlerhafte Darstellung gelten lässt, drängt sich eine korrekte Rekonstruktion der sächsisch-polnischen Flagge regelrecht auf:
Die rekonstruierte Flagge von Sachsen-Polen
Volker Preuß
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Feder
|