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Um zu verstehen, was in Russland und in der späteren Sowjetunion vorging, sollte man zunächst die verwendeten Begiffe definieren. Das Russische Reich des Zaren (bis zum März 1917) und das kurzlebige bürgerliche Russland (März 1917 bis November 1917) waren ein und der selbe Staat. Er umfasste zunächst das russische Kernland, jenes Russland, wie es bis zu Mitte des 18. Jahrhunderts bestand, jedoch ohne Finnland, ohne Estland und ohne Lettland. Die in diesem Alt-Russland lebenden nicht-russischen Völker, waren kleine Völkerschaften im Bereich des Ural und in Sibirien, die den Russen entwicklungs- und zahlenmäßig nichts entgegenzusetzen hatten und schnell unterworfen und integriert waren, manchmal sogar in die Position einer Minderheit gerieten. Der Russische Staat breitete sich dann bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf seine größte Ausdehung aus. So wurden im Westen annektiert (durch die Auflösung Polens): der Norden der heutigen Ukraine, Weißrussland, Litauen, Kurland; im Süden: das Kaukasusgebiet und die Turkestanischen Staaten Zentralalsiens sowie in Fernost ein Gebiet am Fluss Amur und der Norden der Insel Sachalin. Im Kaukasus und auch in Zentralasien verlief die russische Eroberung anders, langwieriger und blutiger und die Gebiete waren von häufigen Rebellionen und Aufständen bedroht.
Das Zarenreich kollabierte unter den Schlägen des Ersten Weltkriegs, einer labilen inneren Situation und dem separatistischen Abfallen ganzer Völkerschaften und Regionen, die die Schwäche Russlands ausnutzten und sich unabhängig machten (z.B. Finnland, Polen, Ukraine, Weißrussland, Lettland, Estland, Litauen). Die bürgerliche Regierung konnte diesen Prozess nicht aufhalten und Lenin und den bolschewistischen Putschisten war klar, dass schnell gehandelt werden musste, wenn man die großangelegten Ziele noch erreichen wollte. Nach dem Lenin-Putsch versank das Land in einen langen Bürgerkrieg unter der Beteiligung von separatistischen Völkerschaften, Bolschewisten, bürgerlichen Kräften und Anhängern der Monarchie. Im Gebiet Alt-Russlands setzten sich die Bolschewisten schnell durch, bis auf ein paar Gebiete in Fernost.
Die in Alt-Russland lebenden, nicht-russischen Völkerschaften erhofften sich eine Verbesserung ihrer Situation gegenüber den Russen, ggf. in Richtung Autonomie und manchmal auch Unabhängigkeit. Die Bolschewisten hatten daran kein Interesse, weil in einem Sowjetsystem die Nation von der Ideologie her keine Role spielt. In Wirklichkeit wurde aber sehr wohl eine russifizierende Politik betrieben, weil sich die als homogen angestrebte Masse der entwurzelten, hungrigen und völlig verängstigten Menschen im ehemaligen Russischen Reich viel besser kontrollieren und beherrschen lies. Man räumte den nicht-russischen Völkerschaften in Alt-Russland schnell Autonomie innerhalb schnell geschaffener Republiken ein, wartete dann ab, bis sich in einem demokratischen Prozess eine intelektuelle und wirtschaftliche Führungsschicht herausgebildete hatte, um diese dann zu eliminieren. Nächste Schritte waren dann häufig die Abschaffung eigener Schriftsysteme zugunsten der kyrillischen Schrift, Verbreitung der Russischen Sprache als Zweitsprache, später auch als Erstsprache. Entsprechende Prozesse konnte über die Zeiten sehr gut an den Flaggen dieser Republiken ablesen. Zunächst waren es einfarbige rote Flaggen, mit einer goldenen Inschrift in der jeweiligen Nationalsprache, die später durch eine russische Inschrift ergänzt wurden und es wurden dann oft die Symbole der Sowjetmacht in Form von Hammer, Sichel und Stern, ergänzt, allerdings nicht in jedem Fall. Später veränderten sich die Inschriften zu blosen Initialen, dann kyrillisch geschrieben, später dann auch um russiche Initialen ergänzt.
1923–1937,
Flagge der Burjatischen Autonomen Sowjetrepublik
1926–1937,
Flagge der Jakutischen Autonomen Sowjetrepublik
1927–1931,
Flagge der Tschuwaschischen Autonomen Sowjetrepublik
1919–1924,
Flagge der Baschkirischen Autonomen Sowjetrepublik
Im Westen, im Kaukasus und auch in Zentralalsien verlief die bolschewistische Eroberung anders. Die Rote Armeee der Bolschewisten war militärisch zu schwach, um sich den nationalistischen Abspaltungen an den Außengrenzen das Russischen Reiches aktiv entgegenzustellen. Die Gegner der Bolschewisten waren oft zahlenmäig stark und wurden vom Ausland direkt und indirekt unterstützt. Die Bolschewisten verfolgten die Stategie eine direkte Konfrontation zu vermeiden und ließen in diesen Gebieten durch bolschewistische Verbündete Sowjetrepubliken proklamieren, denen man einer nach der anderen "zu Hilfe" eilen konnte. Das war nicht immer von Erfolg gekrönt, so konnten Finnland, Lettland, Estland und Litauen ihre Unabhängigkeit verteidigen.
Weißrussland und die Ukraine wurden die ersten Opfer der Bolschewisten, die bürgerlichen Kräfte dieser Länder wurden liquidiert, die Länder selbst zu den ersten Sowjetrepubliken geformt, die Russland nicht wieder angegliedert wurden. Auf diese Art erhoffte man sich, sich das nationalistische Lager vom Halse zu halten und über eine Scheinselbstständigkeit zu befrieden. Natürlich folgten überall auf die Konsolidierung der Sowjetmacht die üblichen Deportationen, Umsiedlungen und der gezielte massive Zuzug von ethnischen Russen.
1920–1927,
Flagge der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik
1919–1937,
Flagge der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik
Im Kaukasus und Zentralasien ging man seitens der Sowjets subtiler vor. Die durch bolschewistische Verbündete proklamierten Sowjetrepubliken agierten weniger agressiv, ließen dem Islam Freiraum und unternahmen nichts gegen den Nationalismus, eher im Gegenteil. Das ließ sich an den Flaggen dieser Sowjetrepubliken sehr gut ablesen, die in Teilen aus den Flaggen der bürgerlichen Regierungen hervorgingen, lediglich irgendwo die Farbe Rot großflächig durch Ersatz einer anderen Farbe ins Spiel gebracht wurde, oder die bisherige Flagge in die Oberecke einer roten Fahne übernommen wurde. Diese Flaggen zeigten dann auch noch nationale Symbolik, aber auch Halbmond und Stern als Symbole des Islam. Hier kamen Hammer, Sichel und Stern relativ schnell auf die Flaggen, oft in Kombination mit dem Stern der islamischen Symbolik, zeitgleich mit der Inhaftierung und Liquidierung der verbliebenen trditionellen Eliten. Später entfielen dann auch alle Buntfarben von den Flaggen, es blieben nur Rot für das Tuch und Gold für die Inschriften übrig. Nach dem Verdrängen der nationalen und religiösen Symbolik wurde dann das Prinzip der Inschriften und Initialen übernommen, zunächst in der Nationalsprache und Schrift, später unter kyrillisch geschriebener Ergänzung und noch später durch russische Inschriften.
1920–1921,
Flagge Sozialistische Volksrepublik Buchara
April bis Juli 1922,
Flagge der Choresmischen Volks-Sowjetrepublik
1921–1924,
Flagge der Autonomen Sowjetischen Sozialistischen Gebirgsrepublik
In Fernost wurde der gegen die Sowjets gerichtete Widerstandskampf der letzten verblieben bürgerlichen Krafte und japanischer Interventionstuppen umgeleitet, in dem man einfach eine "Fernöstliche Republik" gründete (1920 bis 1922) und diese die Kämpfe ausfechten ließ. Deren Flagge war einfarbig rot, lediglich die blaue Oberecke zeigte die Initialen der Republik in Rot. Sowjetrussland vermied über die "Fernöstliche Republik" den direkten Konflikt mit Japan oder gar den USA und konnte sich als Friedensmacht aufspielen. Mit der endgültigen Duchsetzung der Sowjetmacht wurde die "Fernöstliche Republik" wieder abgeschafft.
1920–1922,
Flagge der Fernöstlichen Republik
Im Jahre 1922 wurde die Sowjetunion gegründet, der Zusammenschluss Sowjetrusslands mit den anderen, neu entstandenen Sowjetrepubliken. Territorial war damit das Russische Reich wieder hergestellt, allerdings unter der Herrschaft der Bolschewisten, später Kommunisten geenannt. Zwischen 1949 und 1954 wurden die Flaggen der Sowjetrepubliken der Sowjetunion, oft unter der Hilfe einheimischer Künstler, völlig neu gestaltet. So erhiet letztlich jede Sowjetrepublik ihre eigene, individuell gestaltete Flagge, jedoch ohne einerseits auf die Farbe Rot als dominierende Farbe, und andererseits auf die Symbole von Hammer, Sichel und Stern zu verzichten. Außer der innerhalb Sowjetrusslands (Sowjetrepublik Russland) eingerichteten Autonomen Sowjetrepubliken, entstanden weitere dieser Gebilde innerhalb der anderen Sowjetrepubliken der 1922 gegründeten Sowjetunion. Alle diese Autonomen Sowjetrepubliken erhielten Flaggen, die sich an der Flagge der jeweiligen übergeordneten Sowjetrepublik orientierten, waren jedoch unterhalb von Hammer, Sichel und Stern um den Landesnamen oder auch die Initialen der jeweiligen Autonomen Sowjetrepublik ergänzt. Dies geschah oft mehrsprachig, in mehreren Zeilen untereinander, in der Schrift des jeweiligen lateinischen, kyrillischen oder auch anderen Alphabetes.
1954–1991,
Flagge der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik
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1954–1978,
Flagge der Jakutischen Autonomen Sowjetrepublik
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1951–1991,
Flagge der Georgischen Sozialistischen Sowjetrepublik
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1981–1991,
Flagge der Adscharischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik